Ich bin Blindtext. Von Geburt an. Es hat lange gedauert, bis ich begriffen habe, was es bedeutet, ein blinder Text zu sein: Man macht keinen Sinn. Man wirkt hier und da aus dem Zusammenhang gerissen. Oft wird man gar nicht erst ernst gelesen. Aber bin ich deshalb ein schlechter Text? Ich weiß, dass ich nie die Chance haben werde, im Stern zu erscheinen. Aber bin ich darum weniger wichtig? Ich bin blind! Aber ich bin gerne Text. Und sollten Sie mich jetzt tatsächlich zu Ende lesen, dann habe ich etwas geschafft, was den meisten normalen Texten nicht gelingt.

Dieser Text hat eigentlich gar keinen wirklichen Inhalt. Somit hat er auch keine Relevanz, und deswegen ist das egal. Er dient lediglich als Platzhalter um zu zeigen, wie diese Stelle der Seite aussieht, wenn ein paar Zeilen vorhanden sind. Ob sich der Text dabei gut fühlt, weiß ich nicht. Ich schätze, eher nicht, denn wer fühlt sich schon gut als Platzhalter.

Aber irgendwer muss diesen Job ja machen und deshalb kann ich es nicht ändern. Ich könnte dem Text höchstens ein bisschen gut zureden, dass er auch als Platzhalter eine wichtige Rolle spielt und durchaus gebraucht wird. Könnte mir vorstellen, dass ihm das gut tut. Denn das Gefühl gebraucht zu werden tut doch jedem gut, oder? Klar, er ist austauschbar. Das darf ich ihm natürlich nicht verraten. Denn austauschbar zu sein, das ist schrecklich.

Austauschbar zu sein bedeutet ja eigentlich, dass nicht man selbst, sondern einfach irgendjemand oder irgendwas an der Stelle gebraucht wird. Somit würde mein erstes Argument, man braucht dich, nicht mehr ziehen, und das zuvor erzeugte gute Gefühl des Textes wäre zunichte gemacht. Das will ich nicht. Also bitte nix verraten, ja? Aber vielleicht merkt er es ja nicht. Das wäre gut, denn wer hat schon Lust einen deprimierten Bildtext auf seiner Seite zu platzieren – was würde denn das für einen Eindruck machen. Das will ja keiner lesen. Somit wäre er dann ein für alle Mal tatsächlich völlig nutzlos. Das wäre sein Todesurteil.

Soweit wollen wir es doch nicht kommen lassen, oder? Es sei denn, und das ist möglich, er würde wiedergeboren und käme als, naja, sagen wir als Witz, und ein Textleben später vielleicht als Bildzeitungsartikel auf die Textwelt. Irgendwann wäre er vielleicht sogar ein Text im Lexikon. Dann hätten wir ihn ja sogar weitergebracht in seiner Entwicklung. Klingt gar nicht schlecht, oder? Trotzdem bin ich der Meinung, man sollte ihn nicht bewusst dorthin treiben. Er hat ein Recht darauf, sich selbst zu entwickeln. Und zwar in genau dem Tempo, das ihm gefällt. Und bis es soweit ist, nehme ich ihn eben an, wie er ist. Als einfachen Bildtext ohne wirklichen Inhalt.